Feuer auf der "Morning Midas": Brennende Autofrachter werden zum Milliardenrisiko

Als die US-Küstenwache am Nachmittag des 3. Juni den Notruf der „Morning Midas“ bekam, stieg Rauch vom Heck des Autofrachters vor der Küste Alaskas auf. Die 22-köpfige Mannschaft wurde von einem zu Hilfe gekommenen Frachter gerettet, doch ihr Schiff brannte weiter, tagelang. Luftbilder vom 8. Juni zeigen großflächig zerstörten Außenlack - ein sicheres Zeichen, dass im Innern Feuer auf allen Decks und in voller Schiffslänge gewütet hat. Die Fracht dürfte komplett zerstört sein: 3048 Autos, darunter 70 vollelektrische und 681 mit Hybridantrieb.
„Spätestens jetzt sollte jedem klar sein, dass der Transport von Elektroautos den maritimen Brandschutz vor bislang ungelöste Probleme stellt“, sagt Anja Käfer-Rohrbach, Hauptgeschäftsführerin des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Auf die Versicherer kommt mit der „Morning Midas“ ein Gesamtschaden in dreistelliger Millionenhöhe zu, und ihr Verband kritisiert heftig den Sicherheitsstandard auf den Schiffen.
Anja Käfer-Rohrbach
GDV-Hauptgeschäftsführerin
„Es ist höchste Zeit, dass die Reeder in die Sicherheit der Autofrachter investieren“, sagt Käfer-Rohrbach. Sie verweist auf zwei weitere ähnliche Brände: 2022 ging die „Felicity Ace“ vor den Azoren unter, ein Jahr später brannte die „Fremantle Highway“ auf der Nordsee. An Bord waren jeweils knapp 4000 Neuwagen, darunter einige hundert mit E-Antrieb. „Damit sind seit 2022 mehr als 10.000 nagelneue Fahrzeuge auf Autofrachtern zerstört worden, die Schäden liegen bei weit über einer Milliarde Euro“, sagt Käfer-Rohrbach.
Nach den Daten der Versicherer gibt es keinen Hinweis, dass Elektroautos leichter in Brand geraten als Fahrzeuge mit Benzin im Tank. Aber wenn es passiert, seien sie viel schwerer zu löschen. „Brände im Zusammenhang mit Lithium-Ionen-Batterien gehen einher mit extremer Hitzeentwicklung sowie der Bildung von toxischen Gasen“, heißt es in einem Positionspapier der GDV-Fachleute. Einem normalen Feuer gehe „irgendwann die Luft aus“, sagt ein Schifffahrtsexperte. Eine Batterie brenne auch unter Sauerstoffabschluss noch weiter und könne sich nach dem Löschen sogar wieder entzünden.
Der GDV fordert vor allem bessere Überwachungssysteme auf den Schiffen, um Brände schneller zu erkennen. Innerhalb von sechs Minuten müsse die Bekämpfung beginnen, wenn man eine Chance haben wolle. Außerdem müssten die Mannschaften besser geschult und ausgerüstet werden. Auf den weitverbreiteten RoRo-Schiffen (roll on, roll off) hilft ihnen das aber auch nicht viel: Die Autos seien dort so eng gestellt, dass der Brandherd kaum zu erreichen sei. „Unter diesen Bedingungen ist eine manuelle Brandbekämpfung durch die Crew nicht mehr praktikabel.“ Man brauche vollautomatische Systeme.
GDV-Fachleute haben bereits ein Positionspapier mit detaillierten Sicherheitsforderungen verfasst. Doch nicht nur wegen der damit verbundenen Kosten ist eine schnelle Umsetzung nicht in Sicht. Die aktuellen Schiffe seien nach den geltenden Vorschriften gebaut, sagt der Experte - diese stammten allerdings aus der Vor-Elektrozeit. Und die Schiffe sollen noch größer werden: In der Planung seien Frachter für 9000 Autos. Brennt so ein Schiff komplett aus, macht das bei 40.000 Euro Stückpreis einen Schaden von 360 Millionen Euro - plus schätzungsweise mehr als 150 Millionen für das Schiff.
Kein Wunder also, dass der Streit um die Sicherheit auch die Gerichte erreicht. Am Freitag kündigte das Landgericht Braunschweig an, dass Anfang Juli der Untergang der „Felicity Ace“ verhandelt werde. Der maritime Fall ist dort gelandet, weil die Autos an Bord des 2022 gesunkenen Frachters von Marken des Wolfsburger VW-Konzerns stammten - und der soll nur Schadensersatz in dreistelliger Millionenhöhe zahlen. Der Streit schwelt schon lange, jetzt sind Vergleichsverhandlungen offenbar gescheitert.
Geklagt haben nach Gerichtsangaben die Eigentümerin des Schiffes, die Reederei und Seekaskoversicherungen, laut Fachmedien unter anderem der Allianz-Konzern. Sie behaupten, dass sich die Lithium-Ionen-Batterie eines Autos - angeblich ein Porsche - selbst entzündet habe und werfen ihrem Kunden laut früheren Berichten vor, dass er nicht auf die nötigen besonderen Vorsichtsmaßnahmen hingewiesen habe. VW hält dagegen, dass der Brand eine andere Ursache habe und das Sinken des Schiffes bei umsichtigem Handeln hätte verhindert werden können.
Die „Morning Midas“ dagegen hält sich gut zwei Wochen nach ihrer Havarie noch über Wasser. Zwei Schlepper seien vor Ort und das Feuer offenbar erloschen, berichtete der Branchendienst „Lloyd‘s List“ vor einigen Tagen. Ob der komplett ausgebrannte Schiffsrumpf noch stabil genug ist, um abgeschleppt zu werden, ist allerdings offen.
rnd